
24.10.2024 Donnerstags gegen Rechts
Schön, dass ihr alle hier seid! Es ist unter anderem auch unsere Präsenz auf den Straßen, die der ÖVP Druck macht nicht mit der FPÖ zu koalieren! Denn wir sind jede Woche Wind und Wetter zum Trotz auf der Straße, sind laut, sind solidarisch und bunt! Wir setzen mit unserer Präsenz ein Zeichen: Wir wollen keine Regierung, die soziale Ungerechtigkeiten weiter zuspitzt: Einkommens- und Chancenungleichheiten verschärft, den Klimawandel weiter ignoriert, Rassismus, Sexismus und Queerfeindlichkeit in der Gesellschaft durch Hetze und gezielte Diskursverschiebung fördert. Doch selbst wenn die FPÖ nicht in die Regierung kommt, dürfen wir uns nicht in falscher Sicherheit wiegen. Die ÖVP blockiert weiterhin eine gerechtere Sozialpolitik und wirksame Klimaschutzmaßnahmen. Anstelle einer Verbesserung der Lebensbedingungen erwartet uns Stillstand.Darum habe ich Sorge, dass das die Menschen, die die FPÖ gewählt haben, dadurch nur noch überzeugter davon sind, dass es genau diese Partei braucht, damit ihre Interessen vertreten werden. Viele, die die FPÖ gewählt haben, haben das getan, weil sie sich nach radikaler Veränderung sehnen. Wir müssen und ich denke wir können genau diese Menschen abholen und ihnen zeigen, dass in einer Gesellschaft, in der der Diskurs so weit nach rechts verschoben ist, eine linke Politik die wünschenswerte eigentliche Veränderung darstellt.
Denn wir wollen keine Regierungsbeteiligung der FPÖ! Wir wollen keine rechte Regierung! Heute nicht und auch in 5 Jahren nicht. Zu gar keinem erdenklichen Zeitpunkt wollen wir das! Um das nachhaltig zu verhindern, müssen wir aktiv bleiben, vielleicht sogar noch aktiver werden, um die Menschen zu erreichen, die rechts gewählt haben. Die Menschen sind ja faktisch da. Wie kann es sein, dass so viele Menschen eine antifaschistische Demo abschreckt? Antifaschismus ist nicht radikal! Antifaschismus sollte unser Minimalkonsens sein! Einen diesen Minimalkonsens, haben wir offenbar aufgrund von gezielten Diskursverschiebungen nach rechts verloren. Das darf doch nicht wahr sein! Das ist aber, weil wir uns zunehmend immer seltener darauf einigen können, was wahr ist, welche Medien vertrauenswürdige Quellen sind und wir uns in immer homogeneren sozialen und epistemischen Bubbles bewegen. Wir dürfen nicht vergessen, dass Rechtsextreme oft in Jahrzehnten denken – nicht in Wahlperioden. „Heute ist nicht aller Tage Abend“ –hat Herbert Kickl in den sozialen Medien gepostet. Das klingt wie eine Drohung und mir scheint das ist es auch! Wir dürfen uns nicht in falscher Sicherheit wiegen und aufhören, Widerstand zu leisten. Wir dürfen nicht die Hälfte der Gesellschaft an rechte Ideologien verlieren, denn wenn das passiert, dann verlieren wir die Demokratie!
Demokratie bedeutet, sie zu leben – nicht nur durch Wahlen und Demonstrationen, sondern auch durch die tägliche Auseinandersetzung mit unseren Mitmenschen. So wichtig es auch ist hier auf die Straße zu gehen und laut zu sein. So braucht es auch unser aller Engagement, diese Menschen zu erreichen. Ihnen zu zuhören und mit ihnen zu diskutieren, empathisch zu sein, ihre Sorgen und Ängste ernst zu nehmen, aber auch klar zu sein, dass wir in einer gemeinsamen Welt leben, in der Diskriminierungen jeglicher Art keinen Platz haben! Wir müssen uns einmischen und mitmischen, damit linke Themen und Ideen ausreichend Gewicht im Diskurs erhalten. Eine demokratische Gesellschaft ist eine heterogene, plurale und bunte und aber auch eine, die von einer Idee der Gleichheit getragen wird. In der Idee der Gleichheit sehen wir andere zumindest soweit als hinreichend ähnlich, als dass es vorstellebar ist, jemand anders zu sein und empathisch mitzufühlen. Dies scheint mir auch eine der Bedingungen der Möglichkeit zu sein, Andersartigkeit nicht als Bedrohung, sondern als Bereicherung anzusehen.
Die FPÖ hat bei dieser Wahl viele Menschen aus der sogenannten Mitte mit ihren Sorgen, Ängsten aber auch mit ihrem, ihren Voreingenommenheiten und Feindseligkeiten abgeholt. Lasst uns zusammen langfristig dafür sorgen, dass die FPÖ wieder an Stimmen verliert und es nicht schafft mit ihrer Hetze und Falschinformation weiter Menschen für sich zu gewinnen. Dafür müssen wir nun auch nach den Wahlen weiter aktiv auf die Menschen zugehen, die sich von rechten Parteien angesprochen fühlen. Die Herausforderung, der wir uns dabei stellen müssen, ist eine, auf die ich hier schon einmal hingewiesen habe: Fakten allein reichen nicht mehr. Es braucht auch Beziehungsarbeit. Es geht darum, Menschen, – seien es Nachbar:innen, Kolleg:innen, Bekannte oder Verwandte, – in ihrer Einzigartigkeit wahrzunehmen und ihnen aufzuzeigen, dass es Alternativen gibt, die eine gerechtere und solidarischere Gesellschaft schaffen können. Diese Arbeit erfordert Geduld und Einfühlungsvermögen, aber sie ist essenziell, um zu verhindern, dass rechte Ideologien weiter an Boden gewinnen.
Wir müssen also die Sorgen der Menschen, die sich von der Politik im Stich gelassen fühlen, ernst nehmen. Durch Empathie und Dialog zeigen ihnen, dass die von uns geforderte Solidarität und Gerechtigkeit keine hohlen Phrasen oder bloß träumerische linke Utopien sind. Diese Werte werden nur dann Wirklichkeit, wenn wir einander wieder als Teil einer gemeinsamen Gesellschaft begreifen. Ich habe Sorge, dass sich in den kommenden Jahren viele Menschen noch weiter radikalisieren und sich „Wir gegen Die anderen“ Denkmuster verstärken, wobei das WIR dabei so homogen gedacht wird, dass die „Anderen“ als unvorstellbar anders wahrgenommen werden. Doch Demokratie lebt von Vielfalt und Heterogenität. Davon, dass wir einander als gleichwertig erkennen und dabei in unserer Einzigartigkeit wertschätzen. Das heißt, es ist wichtig einander zugleich als hinreichend ähnlich, aber auch als verschieden und besonders anzuerkennen und gemeinsam unterschiedliche Ansätze zur Lösung gesellschaftlicher Probleme ausverhandeln.
Deshalb hoffe ich, dass wir nicht müde werden miteinander und füreinander da zu sein und uns gegenseitig zu unterstützen und den Menschen in unserem Umfeld zeigen, dass rechte Politik keine Lösung ist. Demokratie braucht und ermöglicht Vielfalt, in der jede Person ihren Platz hat, anerkannt und geschätzt wird. Deshalb dürfen wir den Dialog nicht aufgeben– weniger im Internet als im Alltag, sei es in unseren Nachbarschaften, am Arbeitsplatz oder wo auch immer. Eine lebendige Demokratie braucht uns alle – sie lebt von der Fähigkeit, einander zuzuhören und sich gegenseitig als gleichwertige Teile einer Gesellschaft zu erkennen.
Unser Ziel muss es sein, eine Gesellschaft zu fördern, die bunt, divers und solidarisch ist – eine Gesellschaft, in der Unterschiede nicht als Bedrohung, sondern als Bereicherung wahrgenommen werden. Eine Gesellschaft, in der die Anderen in ihrer Einzigartigkeit anerkannt und wertgeschätzt werden, weil wir sie auch als gleich ansehen. Das ist die Grundlage für eine echte demokratische Praxis.
Lasst uns daher nicht müde werden, uns für diese Werte einzusetzen und den Diskurs zu suchen und die Beziehungsarbeit zu leisten, die unsere plurale Gesellschaft dringend braucht. So wichtig wie es ist auf die Straße zu gehen und zu demonstrieren, so wichtig ist es auch in unserem Alltag ein Beispiel für die Gesellschaft sein, die wir uns wünschen.
Am 09. November wird Wir* gegen Rechts in Graz wieder einen Argumentations-Workshop veranstalten. Bleibt über unsere Signal-Gruppen und der Website „wir-gegen-rechts.at/events“ auf dem Laufenden. Diese Trainings bieten Gelegenheit, sich besser auf Gespräche mit Menschen, die rechte Positionen vertreten, vorzubereiten. Ihr seid alle herzlich eingeladen, daran teilzunehmen! Im Dezember halten wir auch einen peer-support Raum, der die Möglichkeit bieten soll, sich über die gemachten Erfahrungen auszutauschen und sich zu connecten. Nur durch gegenseitige Unterstützung und eine klare, solidarische Haltung können wir verhindern, dass rechte Ideologien weiter an Einfluss gewinnen. Gemeinsam sind wir stärker – und gemeinsam können wir es schaffen, die Demokratie und die Vielfalt, für die sie steht, zu verteidigen. Es liegt an uns allen, jetzt aktiv zu bleiben oder allenfalls zu werden.